Aufsatz zum Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 24.07.2008 im Eilverfahren – 13 L 528/08, veröffentlicht in Arbeitsrechtliche Entscheidungen 2009, S. 21.
Auswahlgespräch allein genügt nicht – fehlerhafte Ermessensausübung bei der Beförderung von Beamten: Bei der Beförderung von Beamten werden immer wieder Auswahlverfahren durchgeführt, die den geltenden gesetzlichen Regelungen widersprechen. Die Verwaltungsgerichte greifen deshalb z. B. im Rahmen einstweiliger Rechtsschutzverfahren zu Gunsten übergangener Bewerber in derartige Beförderungsvorgänge ein.
Bei der Beförderung von Beamten werden immer wieder Auswahlverfahren durchgeführt, die den hier geltenden gesetzlichen Regelungen widersprechen. Die Verwaltungsgerichte greifen deshalb z.B. im Rahmen einstweiliger Rechtsschutzverfahren zu Gunsten übergangener Bewerber in derartige Beförderungsvorgänge ein. Im folgenden Artikel sollen die Grundsätze eines derartigen Verfahrens dargestellt werden.
Ausgangspunkt für derartige fehlerhafte Behördenentscheidungen ist z.B. die Absicht der Behördenleitung von vornherein feststehende Bewerber in die freie Beförderungsplanstelle einzuweisen. Dies korrespondiert zwangsläufig nicht immer mit den im Auswahlverfahren geltenden Vorschriften.
I. Verfahren
Ein Beamter hat zwar keinen Anspruch auf Übertragung eines Beförderungsamtes. Er hat aber ein Recht darauf, dass der Dienstherr bzw. der für diesen handelnde Dienstvorgesetzte eine rechts-, insbesondere ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Vergabe des Beförderungsamtes trifft. Materiellrechtlich hat der Dienstherr bei seiner Entscheidung darüber, wem von mehreren für eine Beförderung in Betracht kommenden Beamten er die Stelle übertragen will, dass Prinzip der Bestenauslese zu beachten (Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz [GG], §§ 7 Abs. 1, 25 Abs. 6 Satz 1 Beamtengesetz für das Land NRW [Landesbeamtengesetz - LBG]).
Ein derartiger Anspruch ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig.
Will hiernach ein übergangener Bewerber die vorläufige Nichtbesetzung einer Beförderungsstelle erreichen, so muss er glaubhaft machen, dass die Vergabe an den Mitbewerber sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zu seinen Lasten rechtsfehlerhaft erweist und dass im Falle der fehlerfreien Durchführung des Auswahlverfahrens seine Beförderung jedenfalls möglich erscheint.
1. Anlassbeurteilung bzw. aktuelle Regelbeurteilung
Basis für die Beförderungsentscheidung ist hier zunächst die Stellenausschreibung. An Hand der Stellenausschreibung ist es dann in erster Linie Sache der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber (z.B. einer Anlassbeurteilung) über die Auswahlkriterien verlässlich Auskunft zu geben.
Bei gleichlautendem Gesamturteil muss der Dienstherr der Frage nachgehen, ob die Einzelfeststellungen in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen eine Prognose über die zukünftige Bewährung im Beförderungsamt ermöglichen (inhaltliche Ausschöpfung der Beurteilungen).
Er darf sich im Rahmen des Qualifikationsvergleichs nicht ohne weiteres auf das Gesamturteil aktueller Beurteilungen beschränken. Führt die Auswertung der Einzelfeststellungen zu dem Ergebnis, dass ein Beamter für das Beförderungsamt besser qualifiziert ist als sein Mitbewerber, dann wird dies auch die Bedeutung älterer Beurteilungen regelmäßig in den Hintergrund drängen.
Bei der Würdigung von Einzelfeststellungen einer Beurteilung kommt dem Dienstherrn ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung des Dienstherrn, bestimmte Einzelfeststellungen zur Begründung eines Qualifikationsvorsprungs heranzuziehen oder ihnen keine Bedeutung beizumessen, ist im Grundsatz nur dann zu beanstanden, wenn der in diesem Zusammenhang anzuwendende Begriff oder der gesetzliche Rahmen, in dem sich der Dienstherr frei bewegen kann, verkannt worden ist, wenn ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist oder allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind. Im Interesse effektiver Rechtsschutzgewährung trifft den Dienstherrn dabei eine - unter Umständen erhöhte - Begründungs- und Substantiierungspflicht, wenn er sich aufdrängenden oder zumindest nahe liegenden Unterschieden in den dienstlichen Beurteilungen der Konkurrenten keine Bedeutung beimessen will.
2. Ältere Beurteilungen
Wenn die Bewertung der aktuellen Beurteilungen keinen Qualifikationsvorsprung einen Bewerbers erkennen lässt, dann ist auf ältere Beurteilungen zurückzugreifen.
3. Auswahlgespräch
Erst dann, wenn diese älteren Beurteilungen einen Qualifikationsvorsprung eines Bewerbers nicht belegen, kann auch ein strukturiertes Bewerber- oder Auswahlgespräch zur Abrundung der dienstlichen Beurteilungen oder vergleichbarer Leistungsnachweise herangezogen werden.
Verfehlt wäre es demnach, einen Bewerber in das Beförderungsamt einzuweisen, der anderen Bewerbern aufgrund der heranzuziehenden Beurteilungen unterlegen war und dann aufgrund eines besseren Ergebnisses im Auswahlgespräch ihm die Stelle zuzuweisen (Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 24.06.2008 - 13 L 528/08).
Ebenso fehlerhaft ist es, wenn ein Dienstherr (Hier die Stadt Düsseldorf!) ein Auswahlverfahren nur zum Schein durchführt, die Auswahlkriterien dem von ihm favorisierten Bewerber anpasst und so die Rechte der anderen Bewerber bezüglich der Durchführung eines fairen Auswahlverfahrens rechtswidrig beeinträchtigt werden (vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.10.2007 - 26 L 1464/07, veröffentlicht jeweils unter www.justiz.nrw.de).
Falls im gerichtlichen Verfahren derartige Auswahlfehler, glaubhaft gemacht werden können, dass bei einer ermessensfehlerfreien Entscheidung die Möglichkeit bzw. die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der übergangene Bewerber die Stelle bekommt, besteht ein Anordnungsanspruch darauf, dass der Dienstherr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts eine neue Entscheidung trifft.
II. Zusammenfassung
Bei der Auswahlentscheidung zwischen mehreren Beamten für ein Beförderungsamt ist daher zusammenfassend folgendes Prozedere einzuhalten:
Basis für die Beförderungsentscheidung ist die Stellenausschreibung. Anhand einer aktuellen Beurteilung muss dann überprüft werden, ob der oder die Bewerber die Kriterien der Stellenausschreibung erfüllen. Bei gleichlautendem Gesamturteil müssen die Einzelfeststellungen inhaltlich ausgeschöpft werden anhand des Anforderungsprofils aus der Stellenausschreibung.
Sollte sich auch hier kein Qualifikationsvorsprung ergeben, müssen ggf. ältere Beurteilungen im gleichen Sinne herangezogen werden.
Erst dann kann ein strukturiertes Bewerber- oder Auswahlgespräch zur Abrundung der vorgefundenen Ergebnisse herangezogen werden.
Fehlerhaft wäre es dementsprechend, wenn ein derartiges Auswahlverfahren zwischen mehreren Bewerbern nur zum Schein durchgeführt wird oder aber wenn lediglich das Auswahlgespräch den Ausschlag bei der Entscheidung über ein Beförderungsamt gibt. In derartigen Fällen kann ein übergangener Bewerber, falls er derartige Auswahlfehler glaubhaft macht, unter Umständen mit einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren den Dienstherrn aufgeben lassen, erneut über die zu vergebende Stelle und dann ermessensfehlerfrei unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Quelle: www.ag-arbeitsrecht.de/downloads/Druckversion-AE-1-09.pdf